Das Böse in meinen Büchern
In vielen meiner Kurzgeschichten, Kurzromanen und Romanen gibt es sie: die bitterbösen Stellen, die den Leser*innen (und manchmal auch dem Autoren selbst) das Blut in den Adern gefrieren lassen. Nach etlichen veröffentlichten Büchern habe ich mich gefragt, aus welchen Tiefen das Böse eigentlich kommt und wie es in meine Geschichten gelangt.
Ich habe es schon öfter betont: die bösen Stellen in meinen Büchern gefallen mir seit meinem ersten Roman, Cryptal City - Vier Jugendliche gegen eine Stadt, am meisten, für den ich eine mordende Lehrerin schuf. Seitdem sind einige Jahre vergangen und viele weitere Bücher erschienen. Doch woher kommt das Böse eigentlich, welches ich in meinen zahlreichen Geschichten beschreibe?
Ich denke, dass die Antwort darauf alles andere als leicht ist. Schreiben ist eben ein kreativer Akt, in den man neben eigenen Ängsten, auch Dinge einfließen lässt, die andere fürchten, die man (in abgewandelter Form) entweder selbst erlebt hat oder die andere erleben. Sehr oft fließen meine Gedanken zur Gesellschaft ein, was besonders bei Depressiva deutlich wird. Hier ist es die Außenwelt, die meinem Protagonisten, Phil, den Lebensmut raubt. In Tommy´s Rache kommt das Böse ebenfalls von außen, doch dadurch entwickelt sich die Hauptperson in die gleiche Richtung. In meinen Kurzgeschichten - etwa der Maniac Street - geraten ganz normale Personen in böse Situationen, die ebenso böse für sie ausgehen. Mal sind es also Menschen, die unsere Abgründe verkörpern, mal Tiere, wie in Helldog und den beiden Tödliche Krähen - Kurzromanen. Aber wie genau kommt man auf solche Ideen?
Logik ist das Tor zur Hölle
Oftmals sind es einfach Gedankenblitze, die kurz auftauchen und die ich sofort aufschreibe oder im Hinterkopf für eine passende Buchsituation abspeichere. Einen unpassenden Satz etwa, den ich irgendwo aufgeschnappt habe, ein Gedanke, wenn ich mich selbst über etwas geärgert habe oder ein erzähltes oder bevorstehendes Erlebnis, welches in meiner Fantasie zu etwas viel Schlimmerem wird. Mit diesen Ideen arbeite ich dann, jongliere wie ein Zirkusclown mit ihnen und wäge wie ein*e Wissenschaftler*in verschiedene Möglichkeiten ab. Denn um ein Unwohlsein oder das pure Grauen beim Lesen eines Textes hervorzurufen, muss die beschriebene Situation in sich schlüssig sein. Ist das nicht der Fall, kann der Abstieg zur Hölle nicht gelingen, denn egal wie fantastisch die Geschichte ist - sie muss in ihrer Welt logisch sein. Ich kann beispielsweise keine Figur schreiben, die in ihrem Haus mühelos einen Vogel tötet, wenn sie ihn zuvor nicht irgendwie verletzt oder einsperrt. Ein gesunder Vogel würde nie sitzen bleiben, wenn ihm Gefahr droht. Also muss mein Charakter ihm etwas antun, im einfachsten Fall sperrt er ihn in einen Käfig ein - im schlimmsten verletzt er ihn.
Neben solchen Taten sind es häufig auch Worte, die das Böse beinhalten. Mrs. Combe aus Cryptal City zum Beispiel, ist eine sehr gute Zuhörerin, obwohl sie ihre Mitmenschen oft nicht aussprechen lässt. Dennoch hört sie das, was zwischen den Zeilen gesprochen wird und benutzt es in passenden Situationen für sich, etwa, wenn sie Behauptungen gegen Jake´s Freunde aufstellt, die so geschickt ausgedacht und formuliert sind, dass er selbst an deren Wahrheitsgehalt glaubt.
Wie viel Bösartigkeit ist böse?
Mir passiert es nach all den Jahren, die ich bereits schreibe, noch immer hin und wieder, dass ich eine Idee für eine neue Geschichte habe und mir erst einmal überlege, ob ich so etwas veröffentlichen kann. Häufig sind es dann Gedanken wie Nein, das geht zu weit oder So etwas kann ich meinen Leser*innen nicht zumuten, die mich anfangs zweifeln lassen, jedoch habe ich als Autor gelernt, dass gerade diese Dinge (neben der künstlerischen Herausforderung) eine Menge Potential beinhalten, da man mit ihnen das unmögliche Grauen beschreiben kann. In vielen Fällen überschreiten meine Geschichten eine Grenze, wobei ich dann selbst überlege, wie das Böse genau definiert wird. Ist man schon böse, wenn man Intrigen austüftelt (Butler Affairs - Jeder hat ein Geheimnis) oder erst, wenn man einen Mord (z.b. Mord an Halloween) begeht?
Hier muss man natürlich zwischen Fakt und Fiktion unterscheiden. Es ist nicht akzeptabel, wenn ein Mensch oder ein Tier in der Realität gequält oder umgebracht wird. Bücher bieten aber ein Medium, mit diesen Dingen zu spielen und - wie der eingangs erwähnte Wissenschaftler - mit ihnen herumzuexperimentieren. Leser*innen fragen sich bei einer Geschichte unterbewusst immer, wie sie selbst reagieren würden, als Autor*in versucht man sie in eine bestimmte Richtung zu lenken und Eventualitäten zu vermeiden. Im Beispiel des Vogels sind also alle Fenster im Raum geschlossen - sonst würde er wegfliegen und die Geschichte wäre vorbei. Doch wie kam er überhaupt in das Haus seines Peinigers? Die Handlung könnte im Hochsommer spielen, da ist es keine Seltenheit, dass Vögel wegen Wassermangels vom Himmel stürzen. Indem man solche Fakten vorher genau klärt, wird die Geschichte für die Leser erst schlüssig.
Fazit
Wenn ich als Autor eine böse Geschichte erfinde, spielen meine Erfahrungen, Hoffnungen und Ängste eine große Rolle, die ich auf meine fiktiven Figuren übertrage. Manchmal spiele ich Situationen durch, die mir bevorstehen, das Schreiben kann also auch als eine Art Stressbewältigung angesehen werden. Häufig ist es jedoch einfach eine Mischung aus Einfällen, Gedanken und erlebten Situationen, die mir den Stoff für das Böse in meinen Büchern gibt.